Den Rücken gerade

Das erste Bild ist perfekt, bestimmt nicht aus fotografischer Sicht; aber der werte Leser wird viele Details darauf erkennen, die mich erfreuen:

  • Das Wetter: trocken, aber doch nicht zu sonnig.
  • Ein Getränkeautomat, mit Mülleimer, sehr wichtig: ich habe auch schon eine leere, klebrige Flasche eine Stunde herumgetragen, auf der Suche nach einem solchen.
  • Eine Bank, leer, schätzt man erst, wenn man keine findet.
  • Ein Trottoire, eine kaum befahrene Strasse und zu allem Überfluss ein schöner Spazierweg dem Fluss entlang. Der Weg hat übrigens eine kleine Webseite. Darauf findet sich auch eine Auflistung, wie man richtig wandert („den Rücken gerade“, „das Kinn leicht nach hinten gezogen“) und welche Ausrüstungsgegenstände man dabei haben soll („leuchtendes Handgelenkband“, „Tee“). Mmh … also … einen Hut hab’ ich!

Auf den letzten beiden Bildern sieht man ein Studentenwohnheim und Stundenhotels.

Golden Week

Der Plan für heute war: Ruhetag! die Seele baumeln lassen, etwas spazieren in der Stadt, Fotos machen und entwickeln.

Die Realität: Aufwachen, beginnt heute nicht Golden Week? (Vier clever platzierte Feiertage Anfang Mai, die ganz Japan eine Ferienwoche bescheren.) Wie kann ich die nur vergessen? Hastig Hotels für die ganze Woche buchen, kaum noch eines ist frei, auch nicht da, wo ich will, aber immerhin etwas gefunden. Es regnet, okay, ich gehe in ein Einkaufszentrum. Voll! Shopping-Terror wohin man sieht! Golden Week und Regen und Wochenende sind wohl genau die Kombination, die jeden Ladeninhaber freut. Schnell wieder raus. Und nun? Im Hotel hatte es ein kleines öffentliches Bad, und dann die Fotos von gestern entwickeln:

Wandel

Verglichen mit meiner ersten Wanderung in Japan, vor 11 Jahren, ist vieles gleich geblieben, zum Beispiel habe ich wieder zu Beginn den Sonnenschutz vergessen!

Auch Japan scheint sich nicht schnell zu wandeln, wobei: viele neue Dinge kommen hinzu – Japaner lieben Neues! – aber selten verschwindet etwas ganz – Japaner lieben Altes! – wie bei den vielen Schichten, die japanischer Lackware Tiefe geben.

Bezahlen ist viel einfacher geworden, jeder hier hat eine Zahlkarte von der japanischen Bahn im Handy, mit der kann man Zug fahren, ohne sich viel Gedanken über das Ticket machen zu müssen. Und auch sonst alles zahlen, etwa im Supermarkt oder Restaurant. Auch Kreditkarten, früher gar nicht so präsent, sind jetzt überall akzeptiert, wenn nur nicht diese blöde Meldung („Wollen Sie in Yen oder Franken zahlen“) kommen würde, die den Verkäufer machmal aus dem Konzept bringt.

Englisch ist jetzt verbreiteter, und wenn es jemand nicht kann, gibt es ja diese App, in die man reinsprechen kann und die alles auf Japanisch wieder ausspuckt, oder mit der man Speisekarten fotografieren und so übersetzen kann.

Vieles wurde automatisiert: Eine Restaurantkette, die ich gerne besuche („Sukiya“), hat an jedem Tisch Tablets, mit denen man bestellen kann. Zum Zahlen gibt es einen Automaten. Das Einzige, was der „Kellner“ noch macht, ist nach der Kundenkarte zu fragen – und das Essen bringen, und das geht wirklich schnell: bei meinen letzten zwei Bestellungen waren es einmal 71 und einmal 51 Sekunden, vom Drücken auf „Bestellen“ bis das Essen bei mir auf dem Tisch stand. PS: Ein Teller Curry mit einer Suppe kostet etwa 6 Franken.

Masken trägt jede Japanerin und jeder Japaner; wenn man jemanden ohne eine sieht, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es kein Japaner ist. Touristen hat es in den Städten wieder viele, vor allem asiatische (konsequent alle ohne Maske) sieht und hört man hier in Kyushu oft.

Die Verstädterung scheint in den letzten Jahren weiter vorangeschritten zu sein, schon vor 10 Jahren habe ich auf dem Land nur sehr wenige Kinder gesehen. Jetzt scheint es auch die Kleinstädte zu treffen, in einer habe ich eine ganze Einkaufspassage gesehen, die aufgegeben und verlassen war, in einer anderen eine grosse „Mall“. Dafür brodeln und brutzeln die grossen Städte geradezu vor Leben, etwas in Fukuoka, wo ich gerade bin.

Irgendwo

Am Weg, etwas abseits, habe ich dieses verlassene Hotel gesehen:

Spannend

Vor und während den Wanderungen esse ich selten. Dafür am Abend umso mehr: in einfachen Restaurants oder ich kaufe etwas im Supermarkt und esse es dann im Hotelzimmer. Selbst nach 20 Jahren kenne ich viele Lebensmittel in Japan noch nicht, versuche fast jeden Tag etwas Neues: Konserven und Getränke mit vielversprechender Aufschrift, ungewöhnliche Snacks – oder Dinge, die ich schon immer vermisst habe, wie auf dem letzten Bild: Baguette mit Fischeiern!

Durch Japan wandern

„Durch Japan wandern“ ist mein Hobby! 3 Monate am Stück, oder 3 Tage. Dieses Jahr sind 3 Wochen geplant. Eine genaue Route habe ich nicht: gestartet bin ich am Nordzipfel der südlichsten Hauptinsel von Japan, Kyūshū.

Wobei: „Wandern“ stimmt irgendwie nicht, „quer durch Japan gehen“ wäre wohl passender, jeden Tag 20 bis 30 Kilometer, nicht nur an schönen Orten, eher zufällig. Gestern etwa erst aus einer Stadt hinaus, dann der Küste entlang, einen Fussgängertunnel unter dem Meer durch, an einem Industriequartier vorbei, am Ende in eine grosse Stadt hinein zum Hotel. Habe auf dem Weg einen Fischmarkt gesehen und Fischer, einen grossen Flohmarkt, dort auch gegessen, und vieles mehr. Heute bin ich 7 Stunden durch Siedlungspudding gelaufen: an Büros, Behörden, Wohnungen, Häuschen, Läden, Werkstätten, Schulen vorbei, auch an Tempel und Schreinen und tausend anderen spannenden Gebäuden. Am Ende dann einem Flüsschen entlang.

Wege an Flussufern, oft sind sie auf Dämmen oder als Spazierweg gestaltet, gefallen mir am besten: Sie sind flach und asphaltiert. Auch gut sind Wegen durch Reisfeldern (auch flach, manchmal aber Schotterstrassen). Am unangenehmsten sind enge Pass- und Küstenstrassen ohne Fußgängerweg – und Tunnels. Wanderwege sind ok, meistens aber anstrengend und auf die Dauer auch etwas eintönig.

Japan ist für mich der ideale Ort für diese Art Wanderung: Es ist sicher, und doch spannend, eine gar nicht so selbstverständliche Kombination: Vieles ist für mich hier neu, jedes Schild ein Fest der Semiotik, jedes Haus voller Geheimnisse, jede Malzeit ein kleines Abenteuer. Ich kann mich nicht sattsehen und -denken an all dem für mich Unbekannten: Allein der naive Versuch, die japanischen Schriftzeichen zu lesen, die mir auf dem Weg begegnen!

Ich habe immer eine Fotokamera dabei, ich laufe dann anders: zwar mache ich nur wenige Bilder am Tag, vielleicht zehn, von denen dann zwei, drei übrig bleiben – und doch bin ich mit einer Kamera aufmerksam auf der Suche nach einem Motiv und nehme mehr wahr. Gut merke ich den Unterschied, wenn die Batterie der Kamera (und mir) leer ist, dann steht das Laufen im Mittelpunkt.

Genf

Route Kyūshū

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