Musik

Leider geht meine Zeit in Japan langsam dem Ende entgegen. Zum Schluss noch zwei Episoden, von vielen mehr:

  • Bin in einem kleinen Supermarkt, am Zahlen von Einkäufen für nicht ganz 1000 Yen. Möchte zuerst mit Münzen zahlen, aber die reichen nicht und nehme dann eine 1000 Yen Note hervor. Die Verkäuferin schaut mich etwas fragend (mitleidig?) an, nimmt sich dann flink & mit spitzen Fingern ein paar Münzen aus meinem Portemonnaie heraus. Und gibt lächelnd genau 50 Yen als Rückgeld
  • Im Auto, auf einer Schnellstrasse etwas abseits: Auf einmal spielt das Auto eine Melodie. Nicht etwa das Radio, sondern die Reifen. Nun wurde doch tatsächlich der Strassenbelag so präpariert, dass beim Darüberfahren der Ton immer wieder etwas ändert, und so über vielleicht 15 Sekunden eine schöne Melodie ertönt.

Übrigens, in den letzten Tagen habe ich mich wieder mehr meinen anderen Hobbys gewidmet, z. B. Synthesizern, solche Liedchen „komponiert“ und eingespielt:

Akabane

Ich bin hier in einem kleinen Zimmerchen (14 m²) in einem kleinen Hotel (letztes Bild). Es liegt sehr gut, auf der unteren Karte (erstes Bild) ganz unten links. Das Quartier Akabane ist im aristotelischen Sinne perfekt: nicht zu gross, nicht zu klein; nicht zu elegant, aber auch nicht zu vergammelt. Die folgenden Bilder sind von hier:

Gestern Nacht gab es in der Nähe, in Chiba, ein Erdbeben. Um 4 Uhr morgens hat das Handy mich sehr laut alarmiert. Ich war etwas unsicher, wie ich reagieren soll: Gehe ich aus dem Hotel raus, oder bleibe im Zimmer? Während ich noch am Wachwerden und Nachdenken bin, vielleicht 30 Sekunden später, ruckelt und rüttelt es schon. Dann natürlich die Frage: War das ein Vorbeben? In diesem Fall war es glücklicherweise fertig und vielleicht 5 oder 10 Minuten später, konnte ich mich im Internet und Fernsehen dazu auch genauer informieren.

Besucher

Gestern – wohlweislich nach der Golden Week – hat Japan die letzten coronabedingten Einreisebestimmung abgebaut und sich wider ganz dem Tourismus geöffnet. 2019 waren es rund 32 Mio. Besucher, davon 30% Chinesen, nochmal 50% andere Asiaten (vor allem Koreaner und Taiwaner). Europäer waren davon 6%.

Letzte Woche in Hakata habe ich doch einige asiatische Touristen gesehen, hier im Norden von Tōkyō sehe ich kaum welche. Aber es gibt natürlich Orte, alles was auf einer chinesischen „Bucketliste“ steht, die völlig überfüllt sind, fast schon eine Sonderzone bilden und mit Japan nicht mehr viel zu haben. Allerdings muss ich gestehen, dass ich viele dieser Orte nicht gut kenne, zu meiner Schande war ich etwa nie beim Fushimi Inari Schrein, der bekannt ist für die vielen roten Torii. Und bin auch schon mal an einem bekannten (und wahrscheinlich wunderschönen) Tempel stur vorbeigelaufen. Weil ich nach 20 km in der brütenden Sonne einfach zu müde war, um den Umweg von ein paar hundert Meter auf mich zu nehmen, um „noch einen Tempel“ zu sehen. Oje!

So kann ich auch kaum Ratschläge dazu geben, was man in Japan als Tourist „machen“ sollte. Einige Orte, die in den Reiseführern steht, finde ich eigentlich nicht so speziell, andere – etwa ein wunderschöner Schrein in Mhmnaja – besuchen nur wenige (nicht-japanische) Touristen, was ich nicht ganz verstehe.

Was ich auf jeden Fall in Japan machen würde:

  • In ein grosses, elegantes Warenhaus gehen, und dort z. B. die Kimono- oder Geschirr-Abteilung besuchen – oder zu den „Hausaltären“ gehen, dazu gibt es manchmal tatsächlich eine eigene Abteilung!
  • Ein grosses Lebensmittelgeschäft besuchen, und da z. B. zu den Fischen oder Früchten.
  • In ein grosses Elektronik-Kaufhaus gehen und die Massagesessel ausprobieren. Und sich die neusten japanischen Waschmaschinen oder Klimaanlagen oder Haushaltsspielereien ansehen.
  • Essen und Einkaufen in Namba (einem Stadtteil im Süden von Osaka), nicht klassisch schön, eher eine Naturgewalt. Die Massen von chinesischen Touristen hier sind für sich schon eine Touristenattraktion.
  • Wer gerne Bier trinkt, soll unbedingt nach Japan gehen: Da gibt es Isakayas (japanische Kneipen), Bierfestivals, oder feuchtfröhliche Schiff- und Bootfahrten.
  • Gut Essen in grossen Bahnhöfen oder Kaufhäusern, da hat es oft viele Restaurants, vielleicht 10 oder gar 20, gruppiert auf einem oder zwei Stockwerken, im Untergeschoss oder ganz oben: sehr günstige, laute und gesellige, und auch elegante. Das ist für europäische Besucher vielleicht ungewöhnlich, aber da sollte man hin, da isst man gut. Als ich das erste Mal in Japan war, bin ich etwas verunsichert gewesen, da ich keine Restaurants gefunden habe. Ich habe nach dem klassischen Muster gesucht, wie man es eben aus Europa kennt, und so diese Essen-Tempel – und die Isakayas – nicht erkannt.
  • Unter Kirschblüten picknicken, dafür gibt es viele schöne Orte, und mit etwas Glück findet man auch einen Platz. Man beachte, dass Kirschbäume in Japan Ende März blühen, nicht in „unseren“ Frühlingsferien.
  • Ein Sentō, ein öffentliches Bad, besuchen. Vorher die Anleitung gut lesen.
  • Kanazawa mit seinem schönen Park besuchen: ein klassischer Touristenort, zu Recht. Und Nara: Da kommt meine liebe Frau her, hat viele Touristen, aber auch viele schöne Orte.

Vielleicht ein Wort zu Städten: Einmal wurde ich in Tokio von französischen Touristen gefragt, wo denn die „Altstadt“ sei. Ich kann mir schon denken, was sie gesucht und erhofft haben, aber ob sie das in Tōkyō finden? Ich glaube, man darf sagen, dass japanische Städte und Häuser nicht unbedingt „schön“ sind, und dass das „den Japaner“ auch nicht sehr kümmert: Alles ist quer durcheinander, überall Stromleitungen; Häuser sind „Gebrauchsgegenstände“, die weniger renoviert werden, sondern genutzt und alle paar duzend Jahre durch neue ersetzt. Natürlich gibt es Ausnahmen, viele. Und Innen, da ist es schön, in Häusern, Parks, Tempel und Schreinen, Kaufhäusern, Museen, Ryokans etc. Ich kenne Ryokans, da ist selbst das Toilettenzimmer ein handwerkliches Meisterwerk, bei dem jede Fuge, jedes Detail stimmt. 

Fluss

Gestern und heute bin ich eine schöne Strecke gelaufen, dem Ufer des Arakawa entlang. Da befinden sich in Tōkyō ein breiter Radweg und über duzende Kilometer aneinandergereihte Fussball- und Baseballfelder und auch kleine Golfplätze. Obwohl bis am Ende der beiden Wandertage noch immer im Siedlungsgebiet, sorgt meist ein Damm dafür, dass man kaum etwas von der Grossstadthektik mitbekommt.

An beiden Tagen bin ich früh und gut gestartet – und mit Flausen im Kopf, abwechseln „heute laufe ich zwei Tagesetappen“ und „dieses Mal stelle ich einen Geschwindigkeitsrekord auf“. Spätestens bei Kilometer 15 waren die Flausen passé, ab Kilometer 20 und bis zum Ziel (bei Kilometer 26 und 27) übernahmen dann General „Schmerz“ und „Demut“ das Kommando.

Bei den letzen, grossen Wanderungen war das ähnlich: erst nach etwa einem Monat „Einlaufen“ war ich im „Fluss“, dann waren 25 Kilometer einfach und erst 30, 35 Kilometer anstrengend. Der Spitzenwert war 50 Kilometer.

Ortswechsel

Bin jetzt in Tōkyō, in Akabane, ganz im Norden, fast in Saitama. Ich hoffe, das ist ein guter Ausgangspunkt um den Fluss Arakawa hoch und runter zu erlaufen (2020 habe ich das mit dem Fluss Tamagawa gemacht) – und die japanische Küche zu geniessen!

Hier noch die letzten Bilder aus dem schönen Kyūshū:

Zimmerchen

Ein typisches, feines Hotelzimmer in Japan:

Augen auf

Der Weg gestern war sehr schön: erst durch Reisfelder, dann auf einem einsamen Radweg dem Fluss entlang. Auch heute Nachmittag war gut.

Aber die ersten drei Stunden am Morgen war zum Davonlaufen. Eigentlich habe ich mich auf dieses Gebiet gefreut: Es hat viele kleine Reisfelder und Häuser dazwischen, spannend! Und wohl auch schöne Wege, aber – wie man auf dem ersten Bild unten vielleicht erkennt – nicht zusammenhängend. Also Plan B, der Hauptstrasse entlang, hat manchmal auch seinen Reiz. Dieses Mal aber stark befahren und oft eng. So zu laufen ist anstrengend; bei jedem schweren Lastwagen und seiner Druckwelle sendet der Körper Warnsignale. Da gibt’s nur eines: Augen auf und durch!

Den Rücken gerade

Das erste Bild ist perfekt, bestimmt nicht aus fotografischer Sicht; aber der werte Leser wird viele Details darauf erkennen, die mich erfreuen:

  • Das Wetter: trocken, aber doch nicht zu sonnig.
  • Ein Getränkeautomat, mit Mülleimer, sehr wichtig: ich habe auch schon eine leere, klebrige Flasche eine Stunde herumgetragen, auf der Suche nach einem solchen.
  • Eine Bank, leer, schätzt man erst, wenn man keine findet.
  • Ein Trottoire, eine kaum befahrene Strasse und zu allem Überfluss ein schöner Spazierweg dem Fluss entlang. Der Weg hat übrigens eine kleine Webseite. Darauf findet sich auch eine Auflistung, wie man richtig wandert („den Rücken gerade“, „das Kinn leicht nach hinten gezogen“) und welche Ausrüstungsgegenstände man dabei haben soll („leuchtendes Handgelenkband“, „Tee“). Mmh … also … einen Hut hab’ ich!

Auf den letzten beiden Bildern sieht man ein Studentenwohnheim und Stundenhotels.

Golden Week

Der Plan für heute war: Ruhetag! die Seele baumeln lassen, etwas spazieren in der Stadt, Fotos machen und entwickeln.

Die Realität: Aufwachen, beginnt heute nicht Golden Week? (Vier clever platzierte Feiertage Anfang Mai, die ganz Japan eine Ferienwoche bescheren.) Wie kann ich die nur vergessen? Hastig Hotels für die ganze Woche buchen, kaum noch eines ist frei, auch nicht da, wo ich will, aber immerhin etwas gefunden. Es regnet, okay, ich gehe in ein Einkaufszentrum. Voll! Shopping-Terror wohin man sieht! Golden Week und Regen und Wochenende sind wohl genau die Kombination, die jeden Ladeninhaber freut. Schnell wieder raus. Und nun? Im Hotel hatte es ein kleines öffentliches Bad, und dann die Fotos von gestern entwickeln:

Wandel

Verglichen mit meiner ersten Wanderung in Japan, vor 11 Jahren, ist vieles gleich geblieben, zum Beispiel habe ich wieder zu Beginn den Sonnenschutz vergessen!

Auch Japan scheint sich nicht schnell zu wandeln, wobei: viele neue Dinge kommen hinzu – Japaner lieben Neues! – aber selten verschwindet etwas ganz – Japaner lieben Altes! – wie bei den vielen Schichten, die japanischer Lackware Tiefe geben.

Bezahlen ist viel einfacher geworden, jeder hier hat eine Zahlkarte von der japanischen Bahn im Handy, mit der kann man Zug fahren, ohne sich viel Gedanken über das Ticket machen zu müssen. Und auch sonst alles zahlen, etwa im Supermarkt oder Restaurant. Auch Kreditkarten, früher gar nicht so präsent, sind jetzt überall akzeptiert, wenn nur nicht diese blöde Meldung („Wollen Sie in Yen oder Franken zahlen“) kommen würde, die den Verkäufer machmal aus dem Konzept bringt.

Englisch ist jetzt verbreiteter, und wenn es jemand nicht kann, gibt es ja diese App, in die man reinsprechen kann und die alles auf Japanisch wieder ausspuckt, oder mit der man Speisekarten fotografieren und so übersetzen kann.

Vieles wurde automatisiert: Eine Restaurantkette, die ich gerne besuche („Sukiya“), hat an jedem Tisch Tablets, mit denen man bestellen kann. Zum Zahlen gibt es einen Automaten. Das Einzige, was der „Kellner“ noch macht, ist nach der Kundenkarte zu fragen – und das Essen bringen, und das geht wirklich schnell: bei meinen letzten zwei Bestellungen waren es einmal 71 und einmal 51 Sekunden, vom Drücken auf „Bestellen“ bis das Essen bei mir auf dem Tisch stand. PS: Ein Teller Curry mit einer Suppe kostet etwa 6 Franken.

Masken trägt jede Japanerin und jeder Japaner; wenn man jemanden ohne eine sieht, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass es kein Japaner ist. Touristen hat es in den Städten wieder viele, vor allem asiatische (konsequent alle ohne Maske) sieht und hört man hier in Kyushu oft.

Die Verstädterung scheint in den letzten Jahren weiter vorangeschritten zu sein, schon vor 10 Jahren habe ich auf dem Land nur sehr wenige Kinder gesehen. Jetzt scheint es auch die Kleinstädte zu treffen, in einer habe ich eine ganze Einkaufspassage gesehen, die aufgegeben und verlassen war, in einer anderen eine grosse „Mall“. Dafür brodeln und brutzeln die grossen Städte geradezu vor Leben, etwas in Fukuoka, wo ich gerade bin.