Energie-Dualismus

Energie-Dualismus

Das ist richtig! Nein, falsch! Der moderne Dualismus, den wir im Alltag so oft sehen, hören und lesen – und daraus folgend die Angewohnheit, zu allem eine Meinung zu haben, alles zu bewerten, möglichst mit Noten und Sternen: nicht meine Welt.

Mindestes drei Dinge sprechen dagegen, wussten schon Newton und Einstein: Dinge ändern sich, manche langsam, andere schnell. Dann: Dinge sind relativ zu einem selbst. Und zuletzt: die Welt hat viele Dimensionen, bestimmt mehr als eine.

Und doch, es gibt da eine nette Idee, die dem Dualismus so nahe kommt, dass ich jedes Mal den Kopf schüttle, wenn ich über sie nachdenke, und sie doch aktiv nutze, so praktisch ist sie:

Was ist besser, A oder B: jung oder alt, krank oder gesund, reich oder arm, lebendig oder tot? Oder, um etwas weniger triviale Themen zu wählen: single oder verheiratet? Demokratie oder Diktatur? Kahl oder behaart? Nun, die werte Leserschaft denkt sicher: „Ist doch klar!“ Denke ich auch, aber mich hat es Zeit und Überwindung (siehe oben) gekostet, herauszufinden warum: Von zwei Zuständen, die ihr gegenseitiges Antonyme sind, wie arm-reich, ist derjenige gut, erstrebenswert und wertvoller, der freiwillig vom anderen nicht zu erreichen ist oder nur mit viel Energie. Und derjenige schlecht, weniger wertvoll, den man vom anderen aus freiwillig und mit wenig Aufwand erreichen kann. Zum Extrembeispiel: Man kann sich töten, aber man kann sich nicht wieder lebendig machen, daher lebendig=gut, tot=schlecht. Man kann sich einfach krank machen, aber nicht einfach gesund: Gesund sein, ist also besser als krank. Es ist besser auf dem Berg zu stehen als im Tal, denn es ist einfacher runterzulaufen als hoch.

Die Wertung einiger solcher Paare ist recht absolut und für alle Menschen ähnlich (z. B. kahl-behaart), bei anderen von Person zu Person unterschiedlich (Single-verheiratet), da die nötige Energie von einem Zustand zum anderen zu kommen oder zurück, von ihrem Leben, Wohnort, Umfeld etc. abhängt. Die Betrachtung kann also durchaus relativ sein, und bestimmt unscharf, aber eben nicht subjektiv.

Nun, wenden wir die Theorie auf einige Beispiele an: adelig-bürgerlich, sauber-dreckig, gebildet-ungebildet, neu-alt. Passt recht gut, oder? Und hat auch stimmige, gar nicht triviale Nuancen, z. B. ist etwas Altes nicht per se schlechter, z. B. bei einer Antiquität besser, was unsere kleine Theorie gut erklärt. Und wenn man nur alt, aber nicht weise geworden ist, wäre man besser jung geblieben.

Oder: Soll man ein Geldgeschenk annehmen? Je nachdem: Man kann es zwar immer noch & einfach verschenken, gut, aber wenn der eigene Ruf darunter unwiederbringlich leidet (Korruption), dann nicht. Und soll man sein Geld verschenken? Nein! Oder nur dann, wenn man es einfach zurückbekommen oder neues verdienen kann. PS: Man beachten den süssen Widerspruch, den uns die Dualität – nicht nur hier – serviert.

Christian Rusche, 2023