Splitter

Eine Zugfahrt, der malerischen Küste entlang: Neben mir ein Mann, auf dem Schoss ein dickes Buch, mit allen Zugfahrplänen Japans; ganz vertieft, in Abfahrtzeiten und Routen, sieht kein einziges Mal aus dem Fenster.

Aufstieg auf einen Berg. Mutter und kleines Kind, langsam, Stufe um Stufe. Sie fragt dann und wann, freundlich „Geht es?“ Es antwortet jedes Mal, weinend „Es geht nicht!“

Putzfrau, in einem kleinen Hotel, ältere Frau; spricht perfekt englisch.

Kurzsichtige Kellnerin, erster Arbeitstag, versteht mich nicht, sieht auch nicht auf welches Menü ich zeige, bringt anschliessend alles mögliche. Mann am Nachbartisch, lotst alles zu sich: „Ich habe es gerne.“

Meine liebe Frau, am Bahnhof, angesprochenen von einem heiteren Mann, am Nachmittag. Nachher zu mir „Jetzt schon betrunken?“

Der Autor dieser Zeilen, sucht mit dem Handy lange eine Buchhandlung in der Nähe, flucht und schimpft; steht die ganze Zeit davor.

Nach Süden

Ich laufe jetzt Richtung Süden, versuche auf die andere Seite Japans zu kommen. Hier noch mehr als an der Küste fällt auf: Japan ist entweder flach oder steil. Der Talboden wird intensiv genutzt, mit bewässerten Reisfeldern, Häusern, Gärten, Fabriken, Strassen – bis ganz an den Rand. Die Hügel und Berge hingegen sind sehr steil, und fast ohne Ausnahme dicht bewaldet und unbewohnt.

Gestern war ich in einem kleinen Supermarkt, sehe dort einen Stand mit Schweizer Produkten, herrlich drapiert mit den obligaten Zettelchen. War überrascht, auch über die Produkte.

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Hoch und runter

Es gibt hier meist nur zwei Strassen von West nach Ost: eine neue, stark befahrene, mit vielen Tunnels; und die alte Küstenstrasse, auf der ich die letzten zwei Tage gelaufen bin. Sie führt zu jedem kleinen Fischerdorf, geht hoch und runter. Man sieht es gut am Streckenprofil der heutigen Etappe – und spürt es in den Beinen: Ich war nach nicht mal 25 Kilometer, für die ich über 6 Stunden benötigt habe, fix und fertig. Zum Glück „musste“ ich dann den Zug nehmen, da es ab da nur noch die eine Schnellstrasse gab.

Im heutigen Ryokan hat man sich viel Mühe gegeben: etwa alle Zettelchen im Zimmer durch deren englische Ausgabe ersetzt. Und meinen Namen in japanischen Schriftzeichen an die Türe geschrieben. Mein Name! Ha, in jedem Hotel ein Quell der Freude: Man schreibt ihn hier Kurisu-chan. Die Endung -chan würde man eher bei einem jungen Mädchen oder einer süssen Katze erwarten, es ist die Verniedlichungsform. Nun stelle man sich vor, alle im Hotel warten gespannt, auf diese Chris-chan; und dann kommt ein Mann, mit wenig & grauen Haaren. Aber klar: Man kennt den Namen wohl, hat ihn nicht zum ersten Mal gesehen.

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profil

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Komödie in 5 Akten

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Das Essen, sieht gut aus, aber etwas roh?

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Hier kommt der Grill; und ich soll kochen? Kann ich das?

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Nein, kann ich nicht: 5 Minuten später, Finger verbrannt, Kellnerin bringt Eiswürfel.

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Noch ein Versuch, Kellnerin schaut mich traurig an.

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Kann man das essen? Man kann!

5 Sterne

Habe die letzten beiden Tage mit meiner lieben Frau und den braven Kindern verbracht. Wir waren hier in Tottori, berühmt für seine Sanddüne, Strände und Krebse. Übernachtet haben wir in einem Hotel, das im Internet von über 1000 Personen im Durchschnitt mit 4.9 von 5 Sternen bewertet wurde. Ich war im Vorfeld gespannt: Japaner sind sehr streng zu ihren Dienstleistern, habe schon einige Mal erlebt, wie bei Dingen, die wir überall sonst auf der Welt & Tag für Tag klaglos erdulden (Speisekarte kommt etwas später, ein Gast, der nach einem kam wird vor einem bedient etc.) Japaner wirklich sauer geworden sind, was doch sehr ungewöhnlich ist: laute Japaner sind mir sonst nie begegnet. Und dass es dann ein Hotel schafft, von 1000 Personen so gut wie jeden glücklich zu machen?

Als ich eingecheckt habe, ist mir aufgefallen, das ich das Hotel kenne, vor genau 10 Jahren (bzw. 9 Jahren und 11 Monaten) waren wir schon hier und es war gut. Und dieses Mal?

Nun, nach dem Aufenthalt kann ich sagen, sie haben die 5 Sternen verdient, wobei bei mir auch weniger dafür gereicht hätte. Der Grund: Das Hotel war zwar in jeder einzelnen Kategorie nicht Weltklasse; Zimmer, Essen, Bad etc. gibt es irgendwo schöner, besser. Aber in Bezug auf Freundlichkeit war es aussergewöhnlich, eine solche erlebt man selbst in Japan selten, und – so denke ich zumindest und attestieren es die vielen Bewertungen – in der konstant hohen Qualität: Alles ist gut (war es zumindest bei uns), und ist es immer. Ich glaube, es war ein berühmter Sushi-Koch, der gesagt hat: „Ich versuche jeden Abend gut zu kochen.“

Ode

Ich bin erst vier Wochen gelaufen, und, wie letztes Mal, ist mein Ego auf die Grösse einer (sehr kleinen) Erbse geschrumpft. Ich meine das positiv! Wenn man so läuft und jeden Tag hundert, tausend Dinge sieht – natürlich die Natur, mit ihrer kühlen, rohen Schönheit – und den eigene Körper fühlt, wie er sich müht und schmerzt – und dann Häuser, Geschäfte, Fabriken, Autos: jedes für sich ein Wunder, zusammengesetzt aus tausenden Teilchen – und kleine Wege und gewaltige Strassen, Brücken, Tunnels, Schilder, ein Gewirr von Ampeln und Strommasten. Neue und alte Bahnhöfe mit ihrer Geschichte, Schulen, Krankenhäuser. Verlassene Häuser, voller Schutt und Vergessenheit – Fischer, Lastwagenfahrer, Krankenpfleger mit ihren kleinen Autos, jeden Morgen und Abend unterwegs, Busse und winzige Haltestellen, an jedem noch so kleinen Flecken, mit einem minutiösem Fahrplan, einem Stuhl zum Sitzen und manchmal einer Hütte – und die Reisfelder, tausende Gärten, gepflegt, mit Gemüse, Blumentöpfe vor jedem Haus – die Häuser! Jedes einzelne, mit Krimskrams gefüllt, draussen Kleider zum Trocken aufgehängt, laute Kinder, die von der Schule kommen, Eltern die sie begrüssen, Grosseltern die auf dem Feld arbeiten. Teenager, die scheu auf ihr Handy starren, oder zusammen lachen. Mädchen und Jungen im Kindergarten, wie sie barfuss in Pfützen springen und kreischen – Und Innen: Kneipen, der Chef betrunken, nach Essen und Trinken rufend, der Gestank und Rauch, das so gute Essen, die Hotels mit duzenden Zettel im Lift, mit herzlichen Comics, alles erklärend – überhaupt: ein Dach über dem Kopf, ein Bett, ein heisses Bad, auch Internet.

Wenn man das Tag für Tag, stundenlang sieht, bekommt man einen so gewaltigen Respekt, mir geht es zumindest so, vor den Menschen. Vor jedem einzelnen, und noch viel mehr vor der Gemeinschaft. Bestimmt übersehe ich vieles – hoffentlich nicht das Schöne, das Gute?

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Viel Verkehr, und ein Trottoir

Gesellig

Heute war ein langer Tag (über 30 Kilometer, 8 Stunden unterwegs) und – für meine Verhältnisse – gesellig, habe 4 Postkarten verteilen dürfen. Am Morgen war ich in einem sehr kleinen Dorf, da gab es eine winzig kleine Poststelle, vielleicht so gross wie eine Bushäuschen, mit einer Schiebetüre. Dahinter, inmitten der in Japan üblichen, unzähligen Schildern und Zettelchen zwei Schalter, von zwei netten Frauen besetzt, vielleicht Mutter und Tochter? Der Grund für meinen Besuch in der Poststelle: ich wollte Bargeld, und viele Geldautomaten in Japan akzeptieren ausländische Kreditkarten nicht, jedoch alle der Post sehr gut. Einen Automat gab es in der Post natürlich nicht (hätte auch kein Platz gehabt). Man bot mir dann eine Geldüberweisung an, und half mir bei der Suche eines Automaten.

Am Nachmittag, kurz vor dem Ziel, hat mich ein Mann mit dem Auto überholt und beim nächsten Parkplatz gewartet; hatten dann ein sehr nettes Gespräch. Am Ende habe ich eine Wasserflasche und er eine Postkarte erhalten. Und dann am Ziel, in einer kleinen Pension (1 Zimmer) namens Cafe del Mar, eine sehr freundliche Gastgeberin angetroffen.

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Hoch

Der heutige Tag war zweigeteilt: am Morgen auf einer schönen, breiten Strasse bis zum Hotel, am Fuss des 大山 (Daisen, Grosser Berg), waren 20 Kilometer und 800 Höhenmeter.

Am Nachmittag wollte ich noch auf einen Berg hoch: den 大山 selbst darf man nicht besteigen, nur zwei Nebengipfel‚ ich bin bei einem etwa bis zur Hälfte gekommen, nochmal 500 Höhenmeter.

Wanderer gab es, aber wenige, ich denke der Ort blüht im Winter auf, es gibt Skipisten (mein Hotelzimmer blickt auf eine) und Skischulen, -geschäfte.

Im Hotel bin ich alleine; als ich ins Bad wollte, waren die üblichen roten und blauen Tücher, die zeigen welches Bad für Frauen und welches für Männer ist, nicht aufgehängt. Keine Risiko! lieber nachfragen –  Antwort: Sie sind der einzige Gast, wählen Sie aus.

Die vorgestern gekaufte Kamera, ist… kaputt. Das Laptop ist mir eben vom Schoss gerutscht, und just auf dessen Display: Futsch. Und das nach dem ganzen Trara beim Kauf!

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Aufgaben

Heute bin ich 2 Stunden spazieren gegangen, ohne Rucksack, es war ein schöner Ruhetag. Wobei, ich hatte drei Aufgaben zu erledigen:

  • Zuerst Waschen, mache ich eigentlich jeden Tag: erst die tausend Schilder bei der Waschmaschine und dem Trockner deuten und verstehen wie alles funktioniert; dann Seife organisieren, diese Mal an der Rezeption, habe da nach „Seife für Waschmaschine“ gefragt, all die üblichen Missverständnisse, ging – wie immer – irgendwie.
  • Dann Haare schneiden, also zuerst herausfinden wo es einen „normalen“ Friseur gibt, einen ohne Kopfmassage etc. In Japan braucht man da keine Anmeldung. Mein vorbereiteter Satz „Bitte 3 Millimeter mit der Maschine“ war wohl doch nicht so gut vorbereitet, wurde zumindest nicht verstanden. Man meinte erst: alles ab, naja, auch kein so grosser Unterschied. Nach Beratschlagung aller 5 Friseure dort, kommt man zum Schluss, dass ich drei Millimeter mit der Maschine meine. Durch eine nicht mehr zu rekonstruierende Aneinanderreihung von Missverständnissen, kam ich noch in den Genuss einer professionellen Rasur, hatte ich noch nie, war gut.
  • Zuletzt eine neue Kamera kaufen, die letzte ist wohl ertrunken. Wieder zuerst ein Geschäft suchen; seit dem Erscheinen der neuen Version von Google Maps eine sehr aufwändige Angelegenheit, früher war alles besser. Dorthin, glücklich das gewünscht Modell (Ricoh GR) gefunden, dem Verkäufer auch bald erklärt, dass ich dieses möchte. Dann gibt es ein Problem, so weit ich es verstehe, ist die Kamera nicht mehr am Lager, ich höre im Redefluss des Verkäufers zumindest das Wort ちゅうもん, Bestellung. Irgendwann wird klar, dass er mir das Vorführmodell geben könnte, was ich eine gute Idee finde, dann viele Fragen die ich nicht verstehe: Vielleicht ob ich warten will? Oder wiederkommen? Keine Ahnung… Meine Fragen auf Englisch, oder Bitten etwas zu wiederholen, werden wohl von ihm genau so wenig verstanden, wie seine sehr höflichen Ausführungen von mir. Später vielleicht die Frage nach Garantieverlängerung? Eine Frage habe ich so verstanden, ob ich alles auf einmal oder in Raten zahlen möchte? Das ganze geht bestimmt 15 Minuten. Die einzige Frage, die ich schon kenne und kann („Haben Sie eine Kundenkarte?“) stellt er überraschenderweise nicht…

Ich habe jetzt saubere Kleider, frisch geschnittene Haare, eine neue Kamera. Alles ging gut. Lerne jetzt Japanisch!